Daniela Kreher referierte jetzt
über die "Kirche in der Pampa"

Auf eine harte Probe gestellt

Daniela Kreher wurde jetzt für ihren Vortrag 'Kirche in der Pampa' mit dem Literaturpflasterstein ausgezeichnet. (SZ-Foto: Dr. Volker Gastreich)

"Ich kenne keine andere Kirche, die in ihrer Satzung die Achtung der Menschenrechte und den Schutz der Natur verzeichnet hat."

Bad Berleburg. (vg) Äußerst lebendige Eindrücke von der Geschichte und Arbeit der Evangelischen Kirche am La Plata hat jetzt die Bad Berleburger Referentin Daniela Kreher einem interessierten Publikum in den Räumen des Kirchenkreises Wittgenstein in der Odebornstadt nähergebracht. Im Rahmen des Berleburger Literaturpflasters zum Thema "Argentinien" sprach die Mitarbeiterin der örtlichen Stadtjugendpflege über die "Kirche in der Pampa" und nahm ihr Publikum dabei mit zu der fernen Kultur und Denkweise der Menschen Südamerikas.

Sie selbst kam seinerzeit als Einjährige nach Argentinien, wuchs dort auf, ging dort zur Schule und absolvierte in Buenos Aires ihr Theologiestudium. Ihre Mutter, die erst kürzlich mit ihrem Einführungsvortrag in die Literatur Argentiniens in der Berleburger Kur-Apotheke Wolter sprach (die Siegener Zeitung berichtete), arbeitet in Argentinien bei der Deutschen Botschaft, ihr Vater war viele Jahre als Pfarrer in der Evangelischen Kirche am La Plata tätig, "und meine Schwester Stefanie wird demnächst ihre Theologie-Studium in Buenos Aires beenden", so Daniela Kreher. Sie selbst sei quasi in die Evangelische Kirche am La Plata hineingewachsen. "Ich habe mit 13 Jahren angefangen, dort mit Jugendlichen zu arbeiten und zehn Jahre lang Jugendarbeit gemacht." Auch sei sie im Diakonie-Büro und in verschiedenen Ausschüssen tätig gewesen. "Daher ist die Evangelische Kirche am La Plata auch diejenige, mit der ich mich am meisten identifiziere." Seit 2007 sei sie jetzt in Wittgenstein. "Und seither bin ich leider auch nicht mehr in Argentinien gewesen." Den Kontakt zu ihren vielen Freunden und Bekannten und zu ihrer Mutter und Schwester aber halte sie die ganze Zeit über aufrecht.

Bei ihrem Vortrag gehe es ihr in erster Linie einmal darum, mit gewissen Vorurteilen aufzuräumen, sagte sie: "Viele waren etwas irritiert, ja, sogar entsetzt, als sie von dem Titel meines Referates hörten: Kirche in der Pampa? Kann man das den einfach so sagen?" Man könne es durchaus. "Denn das Wort ,Pampa’, das vielleicht mit vielen negativen Begriffen behaftet scheint, stammt ursprünglich aus der Quichua-Sprache und bedeutet nichts anderes als ,baumlose Weite’." Mit diesem Begriff würden auch heute noch die Südamerikaner die "große argentinische Ebene" verbinden, "eine der fruchtbarsten und ausgedehntesten der Welt" - oder, um es mit Jorge Luise Borges zu sagen: "Der einzige Ort auf dieser Erde, wo Gott nach Belieben wandeln kann."

In ihrem Vortrag schlug Daniela Kreher zunächst den Bogen zurück zu den Anfängen jener Kirche Südamerikas, die 1843 in Buenos Aires in Form von kleineren Gemeinden gegründet wurde und sich heutzutage auf die Fläche dreier Länder am Rio de la Plata ausdehnt: Paraguay, Uruguay und Argentinien. "Die Gründer dieser ersten Gemeinden waren deutschsprachige Evangelische aus Deutschland, der Schweiz, Russland, Polen, Österreich und Brasilien", so die Referentin. "Damit war in der Anfangszeit der Auftrag der Kirche auch klar umrissen: den evangelischen Menschen mit deutscher Sprache am La Plata das Evangelium zu verkünden und sie seelsorgerisch und kirchlich zu begleiten."

Daniela Kreher vollzog schließlich weitere Entwicklungen jener Gemeinden nach. Dabei seien es zunächst die Einwanderer gewesen, die im Zentrum der Organisation und Arbeit standen. "Die protestantische Religion an sich war ein wichtiger Faktor im Prozess der Identitätsfindung bei der Eingliederung in die neue Heimat. Den einen diente sie als notwendiger Rückhalt inmitten der vielen Schwierigkeiten des Alltags, anderen vermittelte sie das Bewusstsein einer vermeintlichen Überlegenheit, und wieder anderen diente sie als geistig-geistliche Treibfeder für den wirtschaftlichen Aufstieg."

Immer wieder, über die Jahre hinweg, hätten die Gemeinden den Kontakt zur evangelischen Mutterkirche in Deutschland gehalten. Bald gründete sich am Rio de la Plata eine Synode, bald wurden die nach Zusammenschluss strebenden einzelnen evangelischen Gemeinden dort zur gleichberechtigten "Schwester" der Kirche in Deutschland erklärt.

"Diese Entwicklung führte 1969 zunächst auch zur Änderung des Namens der Synode in evangelische Kirche am La Plata." Von nun an konnten neue Wege beschritten werden: "Zur Nationalisierung gehörte dabei auch die theologische Ausbildung eines bodenständigen Pfarrernachwuchses", so Daniela Kreher. "Nachdem über 120 Jahre lang die Gemeinden ihre Pfarrer aus Deutschland erhalten hatten, wurden Mitte der fünfziger Jahre die ersten Studenten an die frisch gegründete Lutherische Fakultät in Buenos Aires geschickt."

Von hier sei es dann nur noch ein kleiner Schritt zur "ökumenischen und diakonischen Öffnung" der neuen Kirche gewesen. Nach und nach rückte in der Gemeindearbeit aktuelle Herausforderungen der Menschen am Rio de la Plata in den Vordergrund: Hunger, Arbeitslosigkeit, Wohnungsnot, Alkoholismus, Verfolgung, Naturkatastrophen.

"Heute reichen ihre Gemeinden von Montevideo im Osten Uruguays bis nach Mendoza im Westen Argentiniens, das sind 1994 Kilometer Luftflinie, und von Katueté im Norden Paraguays bis nach Bariloche im Südwesten Argentiniens, mit 2432 Kilometern Luftlinie. Damit passt diese Kirche in keine europäische Landschaft."

Schließlich kam Daniela Kreher auch auf aktuelle Probleme jener Institution zu sprechen. "Die Finanzen der Kirche und der Gemeinden werden durch die Reduzierung der Eigeneinnahmen, ein anhaltendes Anwachsen der Lebenshaltungskosten und die fortschreitende Verarmung der eigenen Gemeindeglieder andauernd schwächer." Leider habe darüber hinaus der evangelische Glaube für viele Mitglieder erheblich an Stellenwert verloren. Die Herausforderungen und Nöte, die Verarmung, die Gewalt auf den Straßen und die Ängste der Menschen am Rio de la Plata hätten sich verschlimmert, was die diakonische Phantasie der Gemeinden auf eine harte Probe stelle. "Dennoch kenne ich keine andere Kirche, die in ihrer Satzung die Achtung der Menschenrechte und den Schutz der Natur verzeichnet hat", so die Referentin.

Im Anschluss an ihren Vortrag überreichte Rikarde Riedesel, Kustodin der Stadt Bad Berleburg und Organisatorin des Literaturpflasters, Daniela Kreher einen Literaturpflasterstein. Der Erlös des Abends soll zwei Studenten der Evangelischen Kirche am La Plata in Buenos Aires zugute kommen.

Von Dr. Volker Gastreich


Siegener Zeitung (22.09.2010)
Internet: www.siegener-zeitung.de
Bildquelle: SZ-Foto von Dr. Volker Gastreich (vg)

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