Luiz Ruffato: Nach mitreissender Rede
auf der Buchmesse eine beeindruckende Lesung
in Bad Berleburg

Ausschnitte des eigenen Lebens preisgegeben

Luiz Ruffato (l.) hatte mit seinem Übersetzer und Moderator Michael Kegler in der Berleburger Odebornklinik einen vergleichbar herzlichen Tenor wie er ihn auf der Frankfurter Buchmesse erfahren hat. (WP-Foto: Christiane Sandkuhl)

Bad Berleburg. Es kann gern zur Dauereinrichtung werden, das Bad Berleburger Literaturpflaster – und niemand würde ihm schnell überdrüssig werden. Die Lesungen sind ein wahrer Ohrenschmaus, "hardcore" nannte es jetzt Bettina Born zur Lesung in der Berleburger Odebornklinik. Vorlesen lieben schon kleine Kinder, hinweggleiten in eine andere Welt. Doch das Literaturpflaster bietet keine Märchenstunde, eine Vielzahl der Autoren arbeitet "hart an der Realität" und eröffnet somit den Zuhörern eine differenzierte Sichtweise auf das Leben.

Phönix aus der Asche – keine Sage, sondern fleischgewordene Realität im Falle des brasilianischen Autors Luiz Ruffato. Der 52-Jährige kam jetzt nach Bad Berleburg, nachdem er eine mitreißende und gefeierte Begrüßungsrede auf der Frankfurter Buchmesse gehalten hatte - als Vertreter seines Heimatlandes Brasilien, stellvertretend für 70 andere Autoren und Autorinnen Brasiliens.

Der von italienischen Einwanderern stammende Autor kommt aus den ärmsten Verhältnissen im brasilianischen Binnenland, genauer aus Cataguases, Minas Gerais. Sein Vater war Popcorn-Verkäufer, die Mutter Analphabetin. Ein Entkommen aus diesen problematischen Bildungsverhältnissen war dem jungen Luiz Ruffato kaum möglich. Aus Mangel an wirtschaftlichen Mitteln, mangelnder Schulbildung erwächst Unmut, in vielen Fällen. Luiz Ruffato beschreibt authentisch Szenen aus dem realen Leben, knüpft an seine Kindheit in Armut an. Er beleuchtet mit satter, süffiger Sprache das Miteinander und Gegeneinander der Arbeiterklasse.

Stimme der Armen

Während seiner Lesung in der Odebornklinik, dem für ihn bis dato ungewöhnlichsten Leseort, stellte er gemeinsam mit seinem Übersetzer und Moderator Michael Kegler "Mama, es geht mir gut" vor. Das Buch bildet den Auftakt des fünfbändigen Romanzyklus "Vorläufige Hölle". Hier gibt Luiz Ruffato den Armen und einfachen Menschen eine Stimme, garantiert ein Auferstehen des brasilianischen Proletariats. Luiz Ruffato betrachtet sich selbst als höchstpolitisch, wobei er sich vorbehält, gerade in diesem Werk poetisch zu arbeiten. Keine romantischen Anwandlungen liegen darin, dramatische Intensität auf höchstem literarischen Niveau. Die gelesenen Passagen machen die zahlreichen Menschen im Saal stumm. Sein Werk umfasst gut 50 Jahre von den 50-er Jahren bis Ende der 90-er des 20. Jahrhunderts.

Luiz Ruffato gibt in diesem Zuge Ausschnitte seines Lebens preis. Zur Schriftstellerei kam er quasi wie die Jungfrau zum Kinde. Als Schuljunge bekam er durch ein Versprechen eines fremden Mannes auf der Straße seiner Heimatstadt die Chance, auf eine qualitativ gute Schule zu wechseln, das wäre bedingt durch seine wirtschaftlichen Umstände nicht möglich gewesen.

Kampfgeister wecken

Daraus resultierte ein dauernder Besuch in der Bibliothek der Schule. Der Weg zum Buch, zur Literatur war geebnet, seine Liebe zum Lesen zuerst geweckt, der auf dem Fuß die Leidenschaft zur Schriftstellerei folgte. Doch der Weg sollte länger sein. Zunächst schlug er sich mehr schlecht als recht als Verkäufer, Textilarbeiter und Schlosser durch. Heute ist er einer der angesehensten Autoren Brasiliens, lebt in Sao Paulo. Luiz Ruffato ist und bleibt ein politischer Mensch, der mit seiner Literatur nicht nur beschreibt, sondern auch die Kampfgeister der Leser wecken will, besonders die gegen die brutale Veränderung Brasiliens.

Von Christiane Sandkuhl


WESTFALENPOST (17.10.2013)
Internet: www.derwesten.de/staedte/bad-berleburg/
Bildquelle: WP-Foto von Christiane Sandkuhl (cs)

WESTFALENPOST

© 2007-2013 Berleburger Literaturpflaster - Literatur & Kultur aus dem Schwerpunktland der Frankfurter Buchmesse.
Impressum :: Datenschutz :: powered by jr webdesign