Zurück bleibt ein magischer Kuss

Jugendbuchautorin Maite Carranza las vor Berleburger Schülern aus dem »Klan der Wölfe«

vg Bad Berleburg. »Mitten in der Nacht schreckte Anaid hoch. Da hatte ein Wolf geheult, sie war sich ganz sicher. Sie konnte nicht mehr einschlafen, irgendetwas trieb sie dazu, aufzustehen, eine unbestimmte Unruhe oder vielleicht das Licht – es war ungewöhnlich hell draußen.«

Andächtige Stille herrscht in der Schulaula, als Schülerin Ronja Junker-Matthes die spannenden Zeilen liest. Wenige Meter entfernt sitzt die Autorin jener Zeilen selbst: Maite Carranza und lauscht gemeinsam mit zahlreichen Mädchen und Jungen der Ludwig-zu-Sayn-Wittgenstein-Schule den nächsten Worten des Mädchens. Die Autorin lächelt: Für sie ist es auch einmal etwas Neues, ihre Worte in einer fremden Sprache zu hören, in deutsch. »Über den Berggipfeln stand majestätisch der Vollmond. Die Luft war seltsam drückend. Sie spürte die Strahlen des Mondes auf ihrer Haut und entspannte sich. Und doch machte diese Frühlingsnacht dem wolkenlosen Firmament keine Ehre.«

Eines ist für die Hauptschüler der Klassen sechs und sieben unmissverständlich klar: Dieser Vormittag ist kein gewöhnlicher Vormittag. Wie hatte die Organisatorin des Berleburger Literaturpflasters zum Thema »Katalonien« Rikarde Riedesel eben noch festgestellt? Es sei etwas ganz Besonderes, eine Autorin der Frankfurter Buchmesse in Berleburg willkommen heißen zu können. Maite Carranza sei gestern aus Barcelona hierher gekommen, das sei schon sehr beachtlich. Die Schüler wiederum sind auf den Besuch der Jugendbuchautorin an diesem Morgen bestens vorbereitet.

»Wir haben ihr Buch im Deutschunterricht der Klassen sechs und sieben besprochen«, sagt Lehrerin Ulla Belz. Und die Schüler seien ganz aus dem Häuschen gewesen, schließlich drehe sich die Geschichte ja um ein sehr spannendes Thema – um einen »Kampf der Hexen« und um die sonderbaren Abenteuer des vierzehnjährigen Mädchens Anaid, das in der Geschichte herausfindet, dass es magische Fähigkeiten besitzt. »Wir haben dann im Vorfeld einige Passagen im Unterricht zusammen gelesen«, schildert auch Kollege Jascha Thiele, »und die Schüler haben ein kleines Rollenspiel zu einer bestimmten Szene eingeübt.« Auch Lehrer Werner Schreiber ist ganz begeistert von der Idee, einmal ein solches Buch im Unterricht zu behandeln, »Das ist eben auch mal etwas Anderes«, sagt er. Die Zehner hätten im Übrigen im Kunstunterricht unter der Leitung von Rita Grotmann eine entsprechende Dekoration für die Lesung angefertigt: große flatternde Fledermäuse, die überall in der Aula platziert wurden. »So haben sich sehr viel Schüler in diesen Vormittag mit eingebracht«, so Ulla Belz, »und das ist doch eine schöne Sache.«

Ronja Junker-Matthes aus der Klasse sechs schaut von ihrem aufgeklappten Buch auf und blickt zu ihren Mitschülern herüber. Für sie ist dieser Vormittag ebenfalls etwas ganz Besonderes. »Ich habe das Buch ja schon in den Herbstferien gelesen«, sagt sie später als sie wieder im Klassenraum sitzt, »und für mich ist es mittlerweile mein absolutes Lieblingsbuch geworden.« Warum das so sei, dafür hat die Schülerin auch gleich eine Erklärung: »Als ich die Geschichte von dem Mädchen Anaid gelesen habe, dachte ich: Das bin ich selbst.« Sie sei sofort von der Handlung rund um das junge Hexen-Mädchen gefesselt worden. »Das Buch ist auch sehr schön geschrieben«, sagt das Mädchen leise. Ronja liest weiter: »Die Wölfe heulten ihren Freund, den Mond, an und verständigten sich untereinander. Wieder erklang das Geheul, lange und durchdringend, und Anaid fühlte, wie sich ihr die Härchen im Nacken aufstellten.« Die Mädchen und Junge lauschen gebannt, auch als später Marlen Jourdan von der Volkshochschule ein paar Szenen zu Gehör bringt und Maite Carranza plötzlich selbst das Buch zur Hand nimmt und auf Katalanisch liest. Gemeinsam nehmen sie die Schüler der Ludwig-zu-Sayn-Wittgenstein-Schule mit auf eine spannende Reise in den bergigen Norden Spaniens, hinein in dunkle Wälder, zu düsteren magischen Zirkeln und in die Nähe abendlicher Küsten, wo die Wellen – vom starken Wind bewegt – rauschen. Manch einer hat schon bald vergessen, dass er ja eigentlich in einer Schulaula sitzt und lauscht.

»Für mich ist das die erste Lesereise im Ausland«, gibt die Autorin selbst zu, »ich finde das alles sehr spannend. In Spanien konnte ich mich ja mit vielen Schülern und Studenten in der eigenen Sprache unterhalten. Da ist das hier schon eine Herausforderung, zumal ich nur englisch sprechen kann.« Für alle Eventualitäten hat die Autorin daher die Verlags-Lektorin Dr. Ann-Catherine Geuder an ihrer Seite, die sie auf der Lesetour durch Deutschland begleitet. »Der Klan der Wölfin«, sei im Übrigen der erste Teil ihrer Trilogie rund um die gruselig-spannende Geschichte. Gehext und gezaubert werde natürlich alle Nase lang: »Ich liebe eben diese alten Mythen«, sagt die Autorin und lächelt vieldeutig, »sie habe sich daher viele Monate vor dem Roman in dieses Jahrhunderte alte Thema eingelesen und alles rund um Hexen und Zauberei verschlungen.«

»Also, ich habe mir die Autorin jedenfalls genauso vorgestellt wie sie da saß«, schwärmt Ronja Junker-Matthes nach der Lesung im Klassenraum, »wir hatten ja nur diese Schwarz-Weiß-Kopie, wo ein Foto von ihr drauf war, aber ich habe mir gedacht: die schreibt über Hexen, dann muss sie selbst auch rote Haare haben. Und ich hatte Recht.« Auch Mitschülerin Lisa-Marie Pott ist nach der Lesung noch ganz begeistert. Der Vormittag habe ihr sehr viel Spaß gemacht, gibt sie zu. »Es war auch interessant, die Geschichte mal in einer anderen Sprache zu hören«, fügt Mitschülerin Saskia Marie Fischer hinzu. Dass die Hauptperson der Geschichte ein Mädchen ist, damit haben die Jungs aus der Klasse im Übrigen kein Problem, im Gegenteil. »Die Geschichte ist doch spannend geschrieben, da ist es ganz egal, ob die Hauptperson ein Junge oder ein Mädchen ist«, sagt Marvin Kayes. Eines ist für die Schüler der Klasse sechs auf jeden Fall klar: Den »Klan der Wölfe« wollen sie sich auf jeden Fall anschaffen – nicht allein deshalb, weil ja mit Mitschülerin Ronja fast selbst eine kleine »Anaid« in ihrer Klasse sitzt.

Während die Schüler noch über die Begegnung mit Autorin Maite Carranza plaudern, setzte diese bereits ihre Lesereise weiter fort, liest vor den siebener Klassen der Realschule Bad Berleburg und verteilt Autogramme, liest gemeinsam mit Schülern des Berleburger Johannes-Althusius und begeistert eine große Zuhörer-Schar in den Räumen der Odebornklinik. Danach geht es für sie weiter: Richtung Frankfurt, zur Buchmesse. Und eines lässt sie an diesem Tag dem einen oder anderen begeisterten Schüler und Erwachsenen auch noch zurück: Einen »magischen Kuss« auf der Autogramm-Karte.


Siegener Zeitung (10.10.2007)

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