„Pilgern kann Leben verändern“

Michael Kaminski von der evangelischen Erwachsenenbildung in München machte auf dem Literaturpflaster „Spanien“ Werbung fürs Pilgern

Rund 50 Besucherinnen und Besucher hatten jetzt den Weg zu der Literaturpflaster-Veranstaltung 'Am Anfang war die Sehnsucht - Pilgern auf dem spanischen Jakobsweg' in der Berleburger Stadtbücherei gefunden. (Foto: Jens Gesper)

Bad Berleburg. Also, Wandern, das möge er eigentlich gar nicht. Etwas überraschend war Michael Kaminskis Geständnis ziemlich am Anfang seines Vortrags in der Berleburger Stadtbücherei, schließlich wollte er an diesem Abend im Rahmen des Literaturpflasters „Spanien“ doch übers Pilgern sprechen. Pilgern ist nichts speziell Spanisches, aber nachdem der Jakobsweg mit seinem Ziel in Santiago de Compostela in den vergangenen Jahren - auch nach diversen Büchern - einen Ansturm erlebte, erschien dies als passenden Thema. Tatsächlich bot der Münchener aus der evangelischen Erwachsenenbildung, der darüberhinaus Pilgerführerinnen und -führer ausbildet, den knapp 50 Zuhörenden in Bad Berleburg nicht nur einen Zugang zum Pilgern selbst, sondern auch insbesondere zum nördlichen Teil Spaniens, das in diesem Jahr Gastland der Frankfurter Buchmesse ist.

Dafür las Michael Kaminski kleinere Abschnitte aus seinen Büchern „Pilgern mitten im Leben“ und „Pilgern quer durchs Jahr“ vor, außerdem sprach er viel von Menschen und Landschaften, von Begegnungen und Erfahrungen und zunächst von der Grundlage des Pilgerns. Das sei nämlich gar nicht Wandern, sondern eine spirituelle Übung, die es übrigens nicht nur im Judentum, Christentum und Islam gebe, sondern auch im Hinduismus und Buddhismus. Und es gab noch einen Warnhinweis des Referenten: „Pilgern kann Leben verändern.“ Bei ihm habe es 2007 angefangen, damals sei er vor seiner Haustür in München auf eine Zwölf-Tage-Tour zum Bodensee gestartet. Da sei ihm die Idee gekommen, nach Santiago pilgern. Nicht an einem Stück, sondern in längeren Abschnitten in den Sommerferien, wenn er mehrere Wochen Urlaub nehmen konnte: Für die Schweiz brauchte er 19 Tage, für Frankreich in zwei Etappen insgesamt 44, ab 2010 war er in Spanien unterwegs. Hier gibt es fünf große Pilgerwege, auf die Michael Kaminski das Publikum jetzt mitnahm.

Dabei machte er in aller evangelischer Nüchternheit gleich klar, dass er die Echtheit der Gebeine, die man im mutmaßlichen Grab des Heiligen Jakobus‘ in Santiago seit 825 nach Christus vermutet, nicht hinterfragen wolle. Pragmatisch stellte er fest, dass die Stadt ganz im Westen des Kontinents in den damaligen Zeiten für viele Europäer einfach sehr viel leichter zu erreichen gewesen sei als der andere christliche Sehnsuchts-Ort Jerusalem. Michael Kaminski ging es um etwas Anderes: „Pilgern ist Begegnung mit sich selbst, vielleicht mit Gott, mit Menschen wie diesen“, sagte er und zeigte immer wieder Fotos von Einzelpersonen, von kleinen und großen Personengruppen.

Referent Michael Kaminski freute sich über den Literaturpflaster-Stein, den alle Autoren sowie Gastgeberinnen und Gastgeber bei den Veranstaltungen bekommen. (Foto: Jens Gesper)

Dazu gab es Geschichten von diesen Menschen. Von Peter aus Köln, mit dem Michael zwei Tag lang unterwegs war: Am ersten Tag erzählte der eine seine Lebensgeschichte, an dem nächsten der Andere. Von Liza aus Kalifornien, die nach einem Motorradunfall 21 Operationen über sich ergehen lassen musste und trotz Problemen beim Laufen unbedingt nach Santiago wollte. Von Silvia und Nuria aus Barcelona, die ihre geschwisterliche Beziehung klären wollten, stattdessen fand die eine in dem Belgier Michel einen neuen Mann auf dem Weg. Von Jesús, in spanisch-sprachigen Ländern tragen Männern diesen Vornamen auch heute, den Michael in der spartanischsten Herberge am Weg traf, von der Niederländerin Liliana, die zu ihm nach einem längeren Gespräch sagte: „Du kannst doch ein glücklicher Mensch sein.“ Die Kombinationen, in denen Michael Kaminski unterwegs war, wechselten, man verlor sich aus den Augen, fand sich wieder: Strecke und Ziel standen ja fest.

Aber auf den Bildern waren nicht nur Menschen, sondern auch Landschaften und Gebäude. Immer wieder Kathedralen und auch Getreidespeicher, die in Asturien anders aussehen als in Galizien, volle Strände und Gewerbegebiete direkt neben der Pilgerstrecke, es gab Aufnahmen von den Pyrenäen, die Michael Kaminski innerhalb von zwei Tagen überwand, von Eukalyptus-Wäldern, vom Hochland Meseta, vor dem der Referent warnte, weil man hier beim Pilgern kaum Schatten finden könne.

Solch praktische Tipps vom Eingeweihten gab es oft: Komme man auf dem Jakobsweg in eine große Stadt sei, dann sei es besser, in Hotel oder Pension zu schlafen, weil die Pilgerherbergen um 22 Uhr zumachten und man so nichts vom späten spanischen Leben mitbekomme, bei den Schuhen müsse man bedenken, dass man viel auf Asphalt unterwegs sei, freie Hunde am Weg seien eigentlich nicht gefährlich, die scharfen seien angekettet, es reichten zwei Garnituren Kleidung, so dass man jeden Tag wechseln und zwischendurch waschen kann, wenn er sein spanisches Fußball-Nationalteam-Trikot angehabt habe, sei er in den Orten schnell von Menschen angesprochen worden, weil er ja nicht spanisch aussehe. Michael Kaminski machte richtig Lust auf den Jakobsweg und wollte nicht so recht damit herausrücken, was es mit dem Pilgerschatten hinter der Kathedrale von Santiago auf sich hat, den man nur nachts sehen kann, auch beim geheimnisvollen Hühner-Wunder am Jakobsweg blieb er vage: „Das erzähle ich Ihnen ein anderes Mal.“ Man hatte den Eindruck, dass er schon ein bisschen Werbung machen wollte. Obwohl er voraussagte, dass man irgendwann bestimmt die eine schlimme Fragen stellen werde: Warum tue ich mir das eigentlich an? Doch voller Überzeugung gab er die Antwort, die für ihn nach 15 Jahren Pilgern feststand: Dieser Weg wird heilsam für dich sein!

Wie populär das Thema 'Pilgern' ist, machte auch der Büchertisch der Berleburger Buchhandlung MankelMuth bei der Veranstaltung deutlich. (Foto: Jens Gesper)

Am Ende hatten die Gäste in der Stadtbücherei während der zwei Stunden Vortrag 3500 bis 4000 Kilometer auf den fünf großen Jakobsweg-Strecken vornehmlich im Norden Spaniens zurückgelegt. Zu Fuß muss man für die offizielle Compostela-Urkunde eine 100-Kilometer-Strecke nachweisen, auf dem Pferd oder dem Fahrrad sind es 200 Kilometer. Michael Kaminski ermutigte das Publikum ausdrücklich, wenn es Fragen zum Pilgern gebe, dann möge man ihn im Spirituellen Zentrum St. Martin in München anrufen oder anschreiben. Wer zunächst einmal lieber zu den nächsten Veranstaltungen des Berleburger Literaturpflasters „Spanien“ pilgern möchte, der findet alle Anlaufpunkte im Internet unter www.literaturpflaster.com. Allein in der zweiten Oktober-Hälfte warten noch vier spannende Lesungen und eine Ausstellung auf alle Interessierten.

Von Jens Gesper


Unsere Kirche | UK (Nr. 43 - 23.10.2022)
Internet: unserekirche.de
Bildquelle: Fotos (3) von Jens Gesper

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