ARD-Reporter Tilmann Bünz zu Gast beim Berleburger Literaturpflaster

Von Tulpen und Tomatentestern

Moderatorin Bettina Born freute sich über den Gast des Abends: ARD-Reporter und Autor Tilmann Bünz nahm das Publikum mit auf eine humorvolle und informative Reise durch die Niederlande. (SZ-Foto: Janina Althaus)

Bad Berleburg. (ja) "Jeder in den Niederlanden hat drei Fahrräder: Das Erste kommt mit ins Haus, weil es einem so lieb und teuer ist. Das Zweite ist irgendwo in der Stadt angekettet und verrostet und das Dritte steht natürlich am Bahnhof." Derlei Vorurteile galt es am Montagabend bei der Lesung des Literaturpflasters mit Autor und ARD-Reporter Tilmann Bünz im Sanitätshaus Kienzle in Bad Berleburg zu widerlegen.

Er selbst hatte in seiner Zeit in den Niederlanden zwei Fahrräder. "Die habe ich mir selbst gekauft. Aber nach einer Weile bröckelt das eigene moralische Empfinden. Mein Drittes Fahrrad fiel mir sozusagen einfach vor die Füße", lacht Tilmann Bünz. Im Alter von 16 Jahren trampte er das erste Mal gemeinsam mit einem Freund in die Niederlande, und er kam wieder. Mittlerweile Reiseexperte und Fachmann für die Niederlande, brachte er an diesem Abend sein Buch "Fünf Meter unter dem Meer" mit.

Aber nicht nur das: Zwischen sehr lebhaften Anekdoten über ganz persönliche Erlebnisse und humorvolle, aber auch ernste Textpassagen, hieß es immer wieder: Film ab! Denn Tilmann Bünz hatte außerdem seinen Film "Die Niederländer – unbekannte Nachbarn?" im Gepäck. Die Zuschauerinnen und Zuschauer erfahren darin etwas über Tulpen, denen nach einer gewissen Zeit die farbenfrohen Köpfe abgeschlagen werden. Denn was ist begehrlicher als die Blumenzwiebeln? Man lernt sogenannte Tomatentester, verschiedenen Grades, kennen. Einfache Tester berichten, welche Tomatensorte am besten schmeckt. Fortgeschrittene Tomaten-Experten erkennen währenddessen unterschiedliche Geschmacksnuancen.

Tilmann Bünz spricht an diesem Abend aber auch durchaus ernstere Themen an und berichtet darüber, wie er in der bunten, zweitgrößten niederländischen Rotterdam eine Einbürgerungsfeier besuchte und wie sich die Niederländer und die Deutschen nach der Zeit des zweiten Weltkriegs wieder annäherten und die Antipathie einer Freundschaft wich.

Schon lange wünschte sich Tilmann Bünz eine tiefergehende Auseinandersetzung mit dem uns so nahen Land. "Und das ist nur persönlich möglich", resümiert der Schriftsteller. Seine ganz eigene Geschichte mit dem Land ist nach und nach gewachsen, erzählt er an diesem Abend und zückt ein kleines Notizbüchlein aus seiner Tasche. Darin hat er, neben der simplen und alltäglichen Erinnerung eine neue Zahnbürste kaufen zu müssen, all seine persönlichen Eindrücke und Gefühle auf seinen Reisen durch die Niederlande festgehalten.

Zum Abschluss will es Moderatorin Bettina Born noch einmal genau wissen und fragt Tilmann Bünz nach Vorurteilen, die Deutsche gegenüber den Niederländern haben und ob sie denn nun stimmen. Authentisch und bodenständig berichtete der ARD-Korrespondent von einer für ihn besonders frustrierenden Erfahrung: "Nach dem Abendessen gibt es in den Niederlanden üblicherweise Kaffee. Die große Kekstrommel wird dann aus dem Schrank geholt. Ein Keks wird herausgenommen und die Dose wieder verstaut. Wo sind die Kekstrommeln heute? Irgendwo muss ein Berg von 17 Millionen Kekstrommeln existierten," lacht der Niederlande-Fachmann. Dass sich das Land im Laufe der Jahre aber verändert hat, wird an diesem Abend deutlich. Der Geiz und die Sparsamkeit mancher Niederländer sind einer modernen, neugierigen und toleranten Gesellschaft gewichen.

"Sie sind in vielerlei Hinsicht Vorreiter und nicht selten Versuchslabor", schildert Tilmann Bünz seine Eindrücke. "Die Niederländer sind nicht nur die ersten mit beheizten Fahrradwegen, sondern auch das Land, das einen muslimischen Bürgermeister (Rotterdam) hat. Ein Sinnbild des ganzen Landes."

Von Janina Althaus


Siegener Zeitung (28.09.2016)
Internet: www.siegener-zeitung.de
Bildquelle: SZ-Foto von Janina Althaus (ja)

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