Auf dem Literaturpflaster wies Alice Grünfelder Wege zu chinesischen Büchern

Gern sprach Alice Grünfelder (r.) nach ihrem anderthalbstündigen Vortrag mit den Zuhörern in Bad Berleburg. Dankbar waren alle für die vielen guten Lese-Tipps. (SZ-Foto: Jens Gesper)

Jede Menge
gute Lese-Tipps

Kurzweilig und konkret war der anderthalbstündige Vortrag.

Bad Berleburg. (jg) Nachdem als Erstes ein Österreicher das Berleburger Literaturplaster 2009 betreten hatte, folgte vorgestern Abend eine Schweizerin. Und Alice Grünfelder hatte es auch nicht leichter als Wolfgang Stolzlechner, der in 80 Minuten quer durch China reiste (die Siegener Zeitung berichtete gestern). Ihre Aufgabenstellung fasste sie selbst folgendermaßen zusammen: "2.000, 3.000 Jahre Literaturgeschichte in einer Stunde". Am Ende waren es anderthalb Stunden geworden, aber das hatte keiner bemerkt, weil der Vortrag "Roter Mohn und roter Staub, von Revolten und Träumen" zum einen sehr kurzweilig und zum andern sehr konkret die 60 Zuhörer aus der Berleburger Kur-Apotheke mit in die chinesische Literatur nahm. Dazu gehörte auch der nötige historische Diskurs, oder wie Alice Grünfelder sagte: "mit Siebenmeilenstiefeln durch die Geschichte"

Um der Herkules-Aufgabe begegnen zu können, warf die Referentin gleich zu Anfang mal etwas von Konfuzius an die Leinwand: "Weisheit macht frei von Zweifeln, Sittlichkeit macht frei von Leid, Entschlossenheit macht frei von Furcht." Kurzentschlossen und ohne Furcht ging es dann für alle los, Konfuzius war dabei ein grundlegendes Stichwort. Der Lehrmeister stellte die Ordnung in die Mitte seines Denkens, wobei die Moral ein entscheidendes Kriterium war und gesellschaftliche Verantwortung von den Menschen erwartet wurde. In China und vielen anderen asiatischen Ländern sei dieses Denken von den Menschen internalisiert worden.

Als zweiten Namen brachte die Referentin dann Laotse ins Spiel. Der Philosoph war der Begründer des Taoismus, der das Glück der Menschen eher in der Abkoppelung von der Gesellschaft gesehen habe. Auch der Taoismus wirke grundlegend in dem Bewusstsein der Chinesen. Ein deutliches Spannungsfeld zwischen den Beiden sieht man in den unterschiedlichen Relationen zwischen Mensch und Gesellschaft: "Und trotzdem geht es zusammen," versicherte Alice Grünfelder den Zuhörern. Und es blieb nicht bei diesen theoretischen Grundlagen. Die Referentin stellte Zusammhänge her, etwa zu den Protesten auf dem Platz des Himmlischen Friedens. Deren Niederschlagung vor 20 Jahren sei von vielen Chinesen begrüßt worden, weil es die Ordnung bewahrt habe. Ordnung, die laut Staatsideologie und Konfuzius, eine Grundsicherheit vermittele. So wurde Schwerverständliches durch eine kleine Erläuterung nachvollziehbar.

Darüber hinaus gab es jede Menge Lese-Tipps, zeitlose aus der ewigen Literatur-Geschichte, aber auch in Bezug auf jüngere Werke und nagelneue, die eigens und pünktlich zur Buchmesse auf den deutschen Markt kommen. Sie sprach über Suntses "Die Kunst des Krieges", ein 2.500 Jahre altes Werk, das heute noch weltweit an Militärakademien studiert wird und trotz des martialischen Titels eigentlich das Ende der Kämpfe als Ziel hat, um die Ordnung wieder herzustellen.

Und über "Die Räuber vom Liang-Schan-Moor", eine chinesische Robin-Hood-Geschichte aus dem 12. oder 13. Jahrhundert, die das Lieblingsbuch von Maotse Tung gewesen sei. In Riesenschritten ging es weiter zu Lu Xun und seiner Erzählung "Tagebuch eines Verrückten" von 1918 - dem allerersten Werk der chinesischen Moderne.

Weiter ging es mit: Jian Rongs "Der Zorn der Wölfe", Yu Huas "Brüder", Ma Jians "Red Dust" und Yan Liankes "Der Traum meines Großvaters" und Mo Yans "Knoblauchrevolte". Auch die Minderheiten kamen vor: So hat Alice Grünfelder selbst "Flügelschlag des Schmetterlings" herausgegeben, in dem Buch erzählen Tibeter, und erwähnt wurde von ihr auch Rebiya Kadeer: "Die Himmelstürmerin" gehört zu den Uiguren.

Sogar für die spezielle Verbindung Deutschland-China hatte sie Vorschläge: Susanne Hornfecks "Ina aus China", Ursula Krechels "Shanghai fern von wo" und Stefan Schomanns "Letzte Zuflucht Shanghai". Und insbesondere für Berleburger gab es noch einen Tipp mit Leseprobe: Man hörte schon mal etwas über Nury Vittachis "Fengshui-Detektiv" - und die kommen ja Mitte Oktober zusammen mit Alice Grünfelder zu einer Lesung aufs Literaturpflaster. Der Vortrag vorgestern machte darauf im Speziellen Lust, aber auch auf die chinesischen Literatur im Allgemeinen.

Von Jens Gesper


Siegener Zeitung (18.09.2009)
SZ-Foto: Jens Gesper (jg)

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