Märchenreise nach China

Nachmittags-Märchenstunde in der Berleburger Stadtbücherei mit Katja Heinzelmann (l.) und Bibliothekarin Gaby Klotz, die sich über die große Resonanz freuten. (WP-Foto: Christiane Weinhold)

Katja Heinzelmann
beim Literaturpflaster

Bad Berleburg. (cw) Märchen sind nicht generell für Kinder geschrieben oder überliefert. Nahezu alle Zuhörer in der Berleburger Stadtbücherei, und es waren sehr viele, sind den Kindesbeinen längst entwachsen. Märchen liefern den Menschen unendlich viel Weisheit und Philosophisches, sie geben Warnungen mit auf den Lebensweg und entführen in Fantasiewelten.

Katja Heinzelmann aus Bad Laasphe ist leidenschaftliche Märchensammlerin, mit einem rund 3.000 Exemplare umfassenden Fundus aus aller Welt zusammengetragen. Doch sie sammelt sie nicht nur, sie erzählt sie auch mit großer emotionaler Hingabe. Der Weisheitsschatz der Völker spricht viele bewegende Themen an. In vielerlei Variation ist in Märchen vom Weg die Rede, den der Mensch sucht, der ihn zu Lösungen führt oder zum eigenen Ich.

Katja Heinzelmann hat ihre Märchenthematik eingefügt in das Berleburger Literaturpflaster und mit einer bunten Mischung von Nordchina bis hinunter in die südlichen Provinzen des Riesenlandes.

"Das Aussuchen der passenden Märchen fiel mir nicht leicht", bekennt die eingefleischte "Märchentante". Die Ursprungschinesen der Han-Dynastie haben das wundervolle Gleichnis vom kleinen "Dattelkern" hervorgebracht. Ein Kind wird einem Bauernpaar geboren, das im Laufe seines Lebens nicht größer als ein Dattelkern wurde, und daher diesen Namen erhält. Er beweist jedoch Stärke, Wissen und Weisheit. Der Kleine weiß von seinem Dorf Elend abzuwenden und mit List den Mächtigen zu begegnen.

Katja Heinzelmann gibt zu bedenken, dass es in keinem einzigen chinesischen Märchen Grausamkeiten gibt, wie wir es aus Grimmschen Erzählungen und den Märchen von Hans-Christian Andersen kennen. Niemand straft dort, es gibt weder Tod noch Teufel, noch Unheil, das nicht bewältigt wird.

Chinesische Märchen bilden häufig Parabeln mit hohem Wiedererkennungswert für den Zuhörer. Sie werden in den schillerndsten Farben gehalten und Fabelhaftes wird zur Normalität. Eine Vielzahl der Märchenfiguren entspringt der tierischen Welt und erhalten dabei fantastische Elemente wie das Märchen mit der goldgelben Kuh, die einem Kuhhirten zur erträumten Liebe verhilft. Sprechend gibt sie ihm Anweisungen, wie der nach Liebe zu einer Spinnerin dürstende in ihre Arme gelangt und dabei auch noch ihre Eltern von sich überzeugt.

Die Bad Laaspherin legt dabei ihren Zuhörern die Wissenschaftlichkeit nahe, die in sehr vielen Erzählungen der Chinesen einen hohen pädagogischen Nährwert erhalten. Sie beschäftigten sich bereits vor Jahrtausenden mit den Gestirnen, der Unendlichkeit und Weisheit des Universums und bauten diese Erforschungen in ihre Geschichten über die Milchstraße ein.

Märchen sind im Gegensatz zu Sage oder Legende frei erfunden. Frau Heinzelmann konzentrierte sich mit ihrem Exkurs ins Märchenland China auf die Gattung Volksmärchen. Der Urheber dieser speziellen Gattung ist nicht bekannt und die Inhalte werden von Mund zu Mund und von Generation zu Generation weitergegeben.

Die Märchenstunde für Erwachsene - leider fanden nur drei Kinder den Weg zu der Erzählerin - war viel zu schnell vorbei. Nicht nur TV und Video ziehen Menschen in den Bann, es geht auch ohne Bildschirm. Denn angeregt lässt die eigene Fantasie die herrlichsten Filme im eigenen Kopf ablaufen.

Von Christiane Weinhold


WESTFALENPOST (07.10.2009)
WP-Foto: Christiane Weinhold (cw)

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