18. Bad Berleburger Literaturpflaster: Halldór Guðmundsson glücklich über so viele Zuhörer

Stolz auf die Tradition der Erzählkunst Islands

Bad Berleburg. (lpd) Die Kur-Apotheke platzte am Dienstagabend aus allen Nähten als Halldór Guðmundsson seine Zuhörer in die isländische Literatur einführte und auch Einblick in die isländische Seele gewährte.

Halldór Guðmundsson mit einem Foto des Kodex Regius, einem Buch aus dem 13. Jahrhundert, das zum literarischen Erbe Islands zählt. (WP-Foto: Lars-Peter Dickel)

"Island zieht!" Auf diese einfache Formel hatte es zunächst Apotheker Karsten Wolter gebracht. Er war nicht mehr ganz so überrascht von dem Andrang, weil schon die Lesung im Amtsgericht am Abend zuvor zahlreiche Zuhörer gefunden hatte. Aber für Halldór Guðmundsson war es eine Überraschung: "Mit so vielen Leuten hatte ich nicht gerechnet. So viele habe ich auch noch nie in einer Apotheke gesehen". Überhaupt fand Guðmundsson den Ort sehr passend für eine Einführung in die Literatur, schließlich sei sie auch so etwas wie ein Heilmittel.

Der Direktor des isländischen Gastlandauftritts bei der Frankfurter Buchmesse war sehr gut aufgelegt. Er fühle sich wohl in Bad Berleburg und zog auch Parallelen zwischen seiner Insel und Wittgenstein. Er wisse, dass Prinzessin Benedikte hier wohne und ergänzte: "Island war auch mal dänische Kolonie." Der Thron, auf dem die dänische Königin Margrete sitze, "baut auf isländischer Fiktion auf", erläuterte Guðmundsson. Das Sitzmöbel sei aus dem Kostbarsten gemacht, was das Mittelalter kannte: dem Horn des Einhorns. "Wir Isländer haben damit gehandelt". Das Horn stammte tatsächlich vom Narwal und so habe Island bis ins 16. Jahrhundert mit Fiktionen gehandelt. Der Hang zum Erzählen sei tief verwurzelt, berichtete Guðmundsson über "das einzige Volk Europas, das seine Geschichte von den Anfängen an kennt und aufgeschrieben hat".

Halldór Guðmundsson erhält als Geschenk einen Literatur-'Pflasterstein'. (WP-Foto: Lars-Peter Dickel)

Hang zum Erzählen

Es gebe den Kodex Regius aus dem 13. Jahrhundert, "ein kleines, halbverbranntes Buch, das den Grundstein für das heutige Wissen um die nordische Mythologie legt".

"Islands Sagas sind sein großartigster Beitrag zur Weltliteratur", weiß Halldór Guðmundsson, der die Geschichten um Liebe, Mord und Totschlag wegen ihrer Ironie und ihrem Realismus näher am modernem Roman ansiedelt als am mittelalterlichen Heldenepos, zumal sie nicht in Versform geschrieben wurden.

In dieser Tradition stehen zahlreiche moderne Autoren. Vor allem der schnelle gesellschaftliche Umbruch von der Bauern- hin zur Bürgergesellschaft, für den andere Länder 300 Jahre Zeit hatten, beschäftigt Island noch heute. Über die Bürgergesellschaft sagt Halldór Guðmundsson mit selbstironischem Blick auf die Island-Krise: "Historisch gesehen sind wir alle neureich, können also mit Geld nicht umgehen, wie wir neulich bewiesen haben. Die Autoren diskutieren die Frage, wer wir sind. Und dabei greifen sie auf etwas zurück, auf das alle unbefangen stolz sein können: die Tradition der Erzählkunst und Literatur." Musik und bildende Kunst spielten erst seit wenigen Jahrzehnten eine Rolle auf der Wikingerinsel, so Halldór Guðmundsson.

Wissenswertes

Spitze beim Buchkonsum in Skandinavien

Bücher in isländischer Sprache erscheinen durchschnittlich in einer Auflage von 2.000 bis maximal 20.000 Exemplaren. Auch in Deutschland liegen die Durchschnittsauflagen nur zwischen 3.000 und 4.000 Stück.

Mit 1.500 Neuerscheinungen pro Jahr und acht Büchern die jeder Isländer jährlich kauft, liegt das Inselvolk an der Spitze in Skandinavien.

30 Übersetzer waren drei Jahre lang beschäftigt, die Isländischen Werke für die Buchmesse ins Deutsche zu übertragen.

Stellt man die Einwohnerzahl Islands (318.000) und der Mitgliederzahl des dortigen Autorenverbandes (391) der Einwohnerzahl Bad Berleburgs gegenüber (19.800) müsste es an der Odeborn 24 hauptberufliche Autoren geben.

Jakob Grimm und Richard Wagner sprachen Isländisch, der eine als Sprachwissenschaftler, der andere als Komponist des Rings der Nibelungen, der dafür die Edda lesen wollte.

Von Lars-Peter Dickel


WESTFALENPOST (22.09.2011)
Internet: www.derwesten.de/staedte/bad-berleburg/
Bildquelle: WP-Fotos (2) von Lars-Peter Dickel (lpd)

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