Finnische Autorin Leena Lehtolainen beim "Literaturpflaster"

"Wer ohne Schande ist"

Die finnische Autorin Leena Lehtolainen (M.), flankiert von Rikarde Riedesel und Christoph Haupt. (SZ-Foto: Marcel Strack)

Bad Berleburg. (mst) "Finnlands Antwort auf Henning Mankell", wie die Frauenzeitschrift "Brigitte" über die 1964 geborene Autorin Leena Lehtolainen urteilte, war am Freitag zu Gast beim Bad Berleburger "Literaturpflaster" und stellte im Amtsgericht ihren schon zwölften Kriminalroman vor. "Wer ohne Schande ist" macht auch für die Protagonistin Maria Kallio das Dutzend voll. Da lag es für Moderatorin Rikarde Riedesel nahe, die "Wiederholungstäterin" gleich zu Beginn nach den Beweggründen für die Auswahl einer weiblichen Hauptfigur im Kriminalgenre zu fragen. Und mit der ersten Antwort von Leena Lehtolainen war das vermeintliche finnische Eis auf der Richterbank und auch bei den etwa 50 Gästen sofort gebrochen. Denn die Autorin legte in zügigem Finnisch los – bis Riedesel sie daran erinnerte, dass die eigenen Übersetzungsfähigkeiten da doch begrenzt seien und man sich auf Englisch als gemeinsame Basis verständigt hätte. Im Laufe des Abends wurde schnell deutlich, dass Lehtolainen auch der deutschen Sprache teilweise mächtig ist. So wartete sie die englische Übersetzung der Fragen mitunter gar nicht ab und baute auch in ihren Ausführungen immer wieder Passagen auf Deutsch ein.

Doch zurück zur Protagonistin Mario Kallio: Die Autorin führte aus, dass es natürlich in der Realität schon Polizistinnen gegeben habe, diese jedoch Anfang der 90er-Jahre in der finnischen Kriminalliteratur völlig fremd waren. Diese Lücke habe sie für sich entdeckt, wobei sie anfangs noch nicht einmal gewusst habe, wer ihren ersten Roman publizieren solle, geschweige denn, dass ihre Hauptfigur 20 Jahre später immer noch existieren würde. Immerhin sei sie so vorausschauend gewesen, eine junge Polizistin als Charakter zu wählen, die so Zeit gehabt habe, älter zu werden.

Anschließend gab es einen (bewusst) finnischsprachigen Blick in den Romantext, dessen deutsche Übersetzung Christoph Haupt, durch das interkommunale Kulturprojekt mit Schmallenberg seit gut einem Jahr Kollege von Rikarde Riedesel, vortrug. Dabei bekamen die Gäste auch einen Einblick in das für Lehtolainen typische Wechselspiel zwischen den Beschreibungen der Ermittlungen und dem Familienleben von Maria Kallio. Die Frage, wie viel Finnland in den Romanen steckt, beantwortet sich in vielen kleinen Details, zum Beispiel, wenn die Tote die Frau eines berühmten Eishockeyspielers ist. Auch geographische Gegebenheiten gibt die Autorin realitätsgetreu wieder, wobei Lehtolainen die Recherchearbeiten als "beste Phasen" beim Schreiben betrachtet. Auch die kriminalistische Forschung fasziniere sie, wobei sie ergänzte, dass sie es in bester "Miss-Marple"-Tradition für die Lösung eines Kriminalfalls als noch wichtiger erachte, "alles über das normale Leben zu wissen".

Für die Wahl der Namen ihrer Figuren zieht die Autorin nach eigener Aussage auch gerne mal das Telefonbuch oder Todesanzeigen zu Rate. Nur die Katzen und Hunde seien real, dieses Mal zum Beispiel "Yellow", der Hund ihrer Cousine. Aber die besten Ideen für die Handlung kämen ihr zweifelsohne, wenn sie nicht darüber nachdenke, zum Beispiel beim Putzen oder eben auch mal – wie im aktuellen Fall – im Traum. Beim Thema Sprache kam die Autorin dann so richtig in Fahrt. Das heiße Thema "Schwedisch" sei der einzige inhaltliche Aspekt, den sie für den Roman aus der Realität übernommen habe. Helsinki sei immer multilingual gewesen, und so halte sie es schlicht für "stupid", wenn dort heutzutage manchmal Kindern verboten werde, Schwedisch zu sprechen.

Von Marcel Strack


Siegener Zeitung (13.10.2014)
Internet: www.siegener-zeitung.de
Bildquelle: SZ-Foto von Marcel Strack (mst)

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