Murat Coşkun und Misafir
beim Literaturpflaster-Konzert

Annette Maye, Muhittin Temel, Gürkan Balkan und Murat Coşkun (v. l.) sorgten mit ihren Instrumenten für einen exotischen Abend im Berleburger Schloss. (SZ-Foto: Jens Gesper)

Grenzen überschreitend

Bad Berleburg. (jg) Für die Musik auf dem Berleburger Literaturpflaster "Türkei" sorgten in diesem Jahr Murat Coşkun und das Ensemble Misafir. Das hört sich authentisch türkisch an, da gibt es keine Nachfragen. Es wird ein bisschen anders, wenn man weiß, wie der Deutsche mit dem türkischen Namen und dem halben Dutzend unterschiedlichster Schlaginstrumente ins Berleburger Schloss kam. Da war er nämlich schon einmal, vor elf Monaten. Damals mit dem Alte-Musik-Ensemble Freiburger Spielleyt: Hier wird klar, was der Percussionist Murat Coşkun für einer ist, er sagt es selbst sehr schön auf seiner Homepage (www.murat-coskun.com) im Internet. Er wolle in seiner Kunst Begriffe wie "Tradition" oder "Moderne" hinter sich lassen, die trennenden Ortsangaben "Okzident" und "Orient" wolle er mit einem trommelnden Augenzwinkern wegschmunzeln. Deshalb konnte man Murat Coşkun am Freitag nicht nur live im Berleburger Schloss sehen, sondern fünf Stunden vorher auch in einer aufgezeichneten "Planet-Wissen"-Sendung mit dem Titel "Musikgeschichten – Von Spielleuten, Trommlern und Weltmusikern" im WDR Fernsehen. In Bad Berleburg hatte der Percussionist, Orientalist und Musikethnologe Coşkun drei weitere Musikanten dabei, auch sie grenzüberschreitend. Bei Annette Maye mit Klarinette und Bass-Klarinette waren weder der Name noch die Instrumente türkisch. Das war bei Gürkan Balkan mit seiner Oud, der türkisch-orientalischen Laute, und Muhittin Temel mit seinem Kanun, der türkisch-orientalischen Zither, deutlich anders. Wenn es besonders authentisch werden sollte, dann sangen die Männer auch noch zur Musik. Und alle vier zusammen machten in zehn einzelnen Liedern gut anderthalb Stunden lang Musik, die einen wirklich in eine andere Welt und andere Zeit entführte. Apropos "entführen": Murat Coşkun oder Muhittin Temel erläuterten den Zuhörern im Schloss die Stücke gleichermaßen unterhaltsam wie fundiert. Und so konnte man erfahren, dass die osmanischen Stücke so viele Einflüsse hätten, weil Musiker aus aller Herren Länder damals an den Hof der Osmanen entführt worden seien. Vom 14. Jahrhundert bis in die Gegenwart reichten die Entstehungszeiten der Stücke, alte tradierte Melodien genauso wie aktuelle Eigenkompositionen von Murat Coşkun. Schönstes Beispiel dafür das bezaubernde "Der Wind weht aus dem Osten".

"So einen Zauberer an der Percussion hab ich noch nie gesehen", so ordnete Christoph Haupt von der Berleburger Kulturgemeinde Murat Coşkun ein. Zweifelsohne war seine Kunst eine unbeschreibliche Ohrenweide. Noch schöner war die Tatsache, dass diese fremden Melodien durch das Schloss wehten, sich die Zuhörer darauf einließen und in unbekannten Takten fröhlich mitwippten.

Von Jens Gesper


Siegener Zeitung (10.11.2008)
SZ-Foto: Jens Gesper (jg)

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