Literaturpflaster: Hatice Akyün arbeitet mit Humor ihren eigenen "Spagat zwischen den Welten" auf

Hatice Akyün las im Sanitätshaus Kienzle in Bad Berleburg und stellte ihr neues Buch 'Ali zum Dessert' vor. (WR-Foto: Fabian Hansel)

Zu deutsch, um eine Türkin zu sein

Bad Berleburg. Mit viel Humor, Ironie und Witz faszinierte die sympathische Deutsch-Türkin Hatice Akyün etwa 130 Besucher im Sanitätshaus Kienzle in Bad Berleburg mit Vorträgen aus ihren Büchern "Hans mit scharfer Soße" und "Ali zum Dessert".

Die Autorin und Journalistin hatte im Rahmen des Bad Berleburger Literaturpflasters Station in Bad Berleburg gemacht. Rikarde Riedesel, Organisatorin des Literaturpflasters, bemerkte in ihrer Begrüßung, dass es schwer sei, die richtigen Worte für Hatice Akyün zu finden: "Türkin, Deutsche, Mutter, Journalistin - sie passt einfach in keine Schublade und ist einfach sie selbst."

Hatice Akyün erntete die ersten Lacher als sie erklärte, dass es auf jeden Fall ein guter Abend werden würde, wenn auch nicht unbedingt durch die Lesung, so aber durch das anschließende Büfett. Damit war das Eis beim Publikum gebrochen. Während ihrer Lesung beschrieb sie einzelne Situationen aus ihrem Leben: Den traditionellen Alltag in ihrer türkischen Großfamilie mit den Eltern, sechs Geschwistern und zahllosen Onkeln und Tanten und ihr modernes Leben als junge, westlich orientierte Autorin, die sich immer in einem Spagat zwischen zwei Welten befindet.

"Nach dem deutschen Hans mit türkischem Feuer gesucht"

In ihren beiden Büchern beschreibt und verbindet die junge Mutter mit feinsinnigem Humor die beiden unterschiedlichen Kulturen und sagt von sich selbst: "Ich bin zu deutsch, um eine Türkin zu sein und zu türkisch, um eine Deutsche zu sein." In ihrer Familie ist sie häufig auf Widerstand gestoßen: Beispielsweise bei ihrem Vater, der sie früher häufig zu Heiratsgesprächen gebeten habe, die sie aber immer abgelehnt habe; oder bei ihrem Bruder Mustafa, der jedes türkische Klischee erfülle, aber ein ganz lieber "türkischer Macho" sei; oder bei ihrem Bruder Mehmet, der sich überhaupt nicht wie ein "türkischer Mann" verhalte.

Hatice Akyün las im Sanitätshaus Kienzle in Bad Berleburg und stellte ihr neues Buch 'Ali zum Dessert' vor. (WR-Foto: Fabian Hansel)

Mit ihrer positiven und fröhlichen Art nahm sie die Zuhörer mit auf eine türkische Hochzeit und auf ihre erste Begegnung mit ihrem jetzigen Freund Ali, den sie eigentlich nicht gesucht habe, weil er Türke sei und sie lieber einen Deutschen haben wollte, dann mit Ali aber sehr schnell auf türkisch weitergemacht habe und von ihm schwanger wurde. "Ich habe nach dem deutschen Hans mit dem Feuer eines türkischen Mannes gesucht und nun den türkischen Ali mit den Eigenschaften des deutschen Hans gefunden", scherzte Hatice Akyün.

Weiter ging die Reise zu der Vorstellung Alis bei ihren Eltern und einem gemeinsamen Treffen der Familien. Die Zuhörer amüsierten sich köstlich und die Autorin hatte die Lacher stets auf ihrer Seite. Die Stimmung im Sanitätshaus war ausgelassen und selbst die Autorin konnte sich bei einigen Passagen das Lachen über die türkischen und deutschen Eigenarten nicht verkneifen.

Im Anschluss an die Lesung betonte die Schriftstellerin, die auch als freie Journalistin für die Lokalredaktion der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ) arbeitet, mit ihren Büchern auch für Verständnis und Toleranz zwischen den unterschiedlichen Kulturen werben zu wollen. Vor allem das Thema Integration sei in den Medien immer wieder ein bestimmendes Thema. Viele Probleme und Ängste entstünden dadurch, dass man sich zu wenig kenne. Zudem bauten sprachliche Verständigungsprobleme keine Vorurteile ab. Sie betonte, mit ihren Büchern keine politische Diskussion führen zu wollen. Ziel sei es, mit kleinen Geschichten aus ihrem Leben auf eine humorvolle und optimistische Art und Weise zu unterhalten: "Man kann etwas erreichen, wenn man Menschen zum Lachen bringen kann", so die 39-Jährige. Sie sei aber nicht naiv und wisse, dass es Probleme mit türkischen Familien und Migranten in Deutschland gebe. Sie wünsche sich, dass die Menschen sähen, dass es aber viele Leute von ihrer Sorte gebe, die in Deutschland friedlich lebten und einen ganz normalen Alltag hätten. "Vielleicht kann ich ja dazu beitragen, über Vorurteile nachzudenken", so Akyün.

Von Fabian Hansel

Zur Person

Journalistin und Bestsellerautorin

  • Hatice Akyün wurde 15. Juni 1969 in Akpinar Köyü, Türkei, geboren.
  • Sie ist freie Journalistin und deutsch-türkische Schriftstellerin.
  • 1972 zog sie mit ihren Eltern und einer älteren Schwester nach Duisburg, wo ihr Vater, ein Landwirt, beginnt als Bergmann zu arbeiten.
  • Ihre Mutter ist Analphabetin, Hatice Akyün lernte trotzdem schnell deutsch.
  • Seit 2003 arbeitet Hatice Akyün als freie Autorin und schreibt unter anderem für den "Spiegel", "Emma", und den Berliner "Tagesspiegel".
  • Im Jahre 2005 veröffentlichte sie das Buch "Hans mit scharfer Soße", das auf Anhieb ein Bestseller wurde.
  • 2008 erschien die Fortsetzung "Ali zum Dessert", in der sie über ihr deutsch-türkisches Leben schreibt.
  • Mit ihrem Freund Ali, einem Journalisten, ebenfalls in der Türkei geboren, und der gemeinsamen Tochter lebt Hatice Akyün in Hamburg.

Westfälische Rundschau (03.11.2008)
WR-Bilder: Fabian Hansel

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