Der Gießener Geographie-Professor Ulrich Scholz informierte in mehreren Vorträgen über das Land Indonesien

Reiche Landwirtschaft - auch dank Vulkanen
"Es ist immer so, dass einer einen kennt, der dann einen kennt, der heute hier ist", sagte Otto Marburger über den Referenten.

Referent Prof. Ulrich Scholz und Franziska Müller, gebürtige Berleburgerin und heute Referendarin in Wiesbaden, stellten sich für das SZ-Foto vor eine Asienkarte. (SZ-Foto: Guido Schneider)
Nach dem Vortrag für 'Erwachsene' am Donnerstagabend hielt Referent Ulrich Scholz in der Aula des Gymnasiums gestern einen Vortrag für Schüler über Vulkane. (SZ-Foto: Björn Weyand)

Bad Berleburg. (schn/bw) Das Berleburger Literaturpflaster ist dafür bekannt, nicht nur literarische Werke aus dem jeweiligen Gastland zu präsentieren, sondern den Wittgensteinern auch das Land und dessen Kultur näherzubringen. Am Donnerstagabend kam Prof. Ulrich Scholz von der Uni Gießen nach Bad Berleburg, um über die landwirtschaftliche Entwicklung Indonesiens unter dem Titel "Vom Pflanzstock zum Handtraktor" zu berichten. Der Wissenschaftler ist seit dem Jahr 1968 vielfach in Südostasien gewesen, hat dort geforscht und sogar für die indonesische Regierung gearbeitet. Mehr oder weniger durch Zufall kam Scholz direkt nach dem Studium nach Indonesien und bereiste das Land, von Sumatra über Java bis nach Borneo.

In späteren Jahren, als Dozent an der Uni Gießen, setzte er es sich zur Aufgabe, seinen Studenten etwas von der Welt zu zeigen, den Horizont zu erweitern. Exkursionen seien immer das Beste und Lehrreichste an einem Studium gewesen, ist er sich nach wie vor sicher. Auch wenn Exkursionen immer wieder kritisch gesehen würden – das seien sicher keine Lustreisen, sondern ganz ernsthafte Lehrveranstaltungen. Solch eine Exkursion war auch der Grund für die Einladung des Professors nach Bad Berleburg. Franziska Müller, gebürtig aus der Odebornstadt und heute Referendarin in Wiesbaden, war Teilnehmerin an einer der Reisen von Ulrich Scholz und so kam der Kontakt zum Literaturpflaster zustande. "Es ist immer so, dass einer einen kennt, der dann einen kennt, der heute hier ist", sagte Otto Marburger zur Begrüßung in der Aula des Johannes-Althusius-Gymnasiums.

Eines fiel vom ersten Moment an auf: Ulrich Scholz hat ein sehr positives Bild von Indonesien und seiner Entwicklung. Der Wissenschaftler kann auf einen sehr reichen Erfahrungsschatz zurückgreifen, wenn er über die Entwicklung Indonesiens spricht. Über die Jahre des Suharto-Regimes verlor er nicht viele Worte, nannte die Zeit eine Diktatur, lobte aber auch aus wissenschaftlicher Sicht die Errungenschaften dieser Zeit. So waren aus Sicht von Ulrich Scholz die Umsiedlungsprogramme, "Transmigrasi" genannt, in Indonesien ein großer Erfolg. Die Programme stellen die größte Umsiedlung von Menschen in Friedenszeiten dar, waren freiwillig und haben dazu beigetragen, die Nahrungsmittelversorgung und die bäuerlichen Strukturen in dem Inselreich zu modernisieren. Um das nachvollziehen zu können, muss man wissen, dass die Bevölkerungsdichte auf den Inseln extrem unterschiedlich ist. So leben auf Java etwa 58 Prozent der gesamten Bevölkerung, doch die Insel macht nur sieben Prozent der Gesamtfläche aus. Java ist mit 1140 Menschen je Quadratkilometer deutlich überbevölkert, während auf den anderen großen Inseln nur sehr wenige Menschen leben.

Zeitweise war Indonesien der größte Reisimporteur der Welt, auch weil das Bevölkerungswachstum mit 2,2 Prozent hoch ist. Die Bevölkerung verdoppelte sich in einem Zeitraum von 32 Jahren. Die Zucht neuer Reissorten und verbesserte Anbaumethoden sicherte die Reisproduktion des Landes und machte den Inselstaat autark. Heute aber geht Indonesien einen neuen Weg und gibt seine Autarkie wieder auf – zu Gunsten einer profitableren Landwirtschaft. Schon die Niederländer hatten mit dem Anbau von Kautschuk begonnen.

Die Plantagenwirtschaft wurden nach und nach durch kleinbäuerliche Betriebe abgelöst. Tabak, Kakao und Gewürze – die Bauern können heute eine Menge Früchte anbauen, die auch tatsächlich Geld abwerfen. Durch den Reisanbau ist dagegen nicht viel zu verdienen. Zumal die Felder den Einsatz von großen Maschinen nicht zulassen. Der Handtraktor stellt einen großen Technologiesprung dar. Obwohl die Arbeitskräfte nach wie vor billig sind, wollen kaum noch junge Menschen die mühsame Arbeit auf den Reisfeldern auf sich nehmen. Andere Früchte bringen da mehr Ertrag. So auch die Ölpalme, die in den vergangenen Jahren einen regelrechten Boom ausgelöst hat.

Viele Indonesier arbeiten heute – etwa in Malaysia – auf Ölplantagen. Der Aufschwung hat auch in der Industrie für eine Aufwärtsbewegung gesorgt. Die Menschen wollen sich heute Steinhäuser leisten, Ziegelfabriken haben deswegen einen guten Markt. Und weitere Industriezweige haben sich angesiedelt, die Alphabetisierung ist weit fortgeschritten und Familien sorgen dafür, ihren Kindern eine solide Ausbildung zu ermöglichen Ulrich Scholz ist davon überzeugt, dass Indonesien einen ähnlichen Weg nehmen werde wie etwa der direkte Nachbar Malaysia. In Indonesien sei die Entwicklung etwa zehn Jahre gegenüber den Nachbarn verzögert, verlaufe aber mit großem Potenzial.

Tradition hat beim Berleburger Literaturpflaster auch, dass der Referent am folgenden Tag noch einen Vortrag für Schüler der Berleburger Schulen hält. Professor Ulrich Scholz hatte sich für die Jugendlichen das Thema "Vulkane" rausgesucht – zunächst berichtete er aber von abenteuerlichen Reisen durch Indonesien. Mit wenig Geld sei er unterwegs gewesen, verriet der Gießener Geographieprofessor, "einen Flug konnte ich mir nicht leisten". Bei all seinen Reisen über die Jahrzehnte hinweg nach Indonesien habe er immer eine Vulkanbesteigung unternommen. Die 129 aktiven Vulkane im Inselreich, darunter sage und schreibe 77 Hochrisikovulkane, seien für Indonesien Fluch und Segen zugleich. Von allen Todesopfern weltweit durch die Vulkane seien 60 Prozent in Indonesien zu beklagen. Beim Ausbruch des Krakatau im Jahre 1883 seien 40.000 Menschen gestorben, es habe eine 35 Meter hohe Flutwelle gegeben. Zugleich ist der fruchtbare Lava-Boden seit jeher die Basis für eine reiche Landwirtschaft, gab der Geographie-Professor gestern auch zu bedenken.

Von Guido Schneider und Björn Weyand


Siegener Zeitung (12.09.2015)
Internet: www.siegener-zeitung.de
Bildquelle: SZ-Fotos (2) von Guido Schneider (schn) und Björn Weyand (bw)

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