Iunona Guruli las Kurzgeschichten beim Literaturpflaster im Abenteuerdorf Wemlighausen

Derb, dicht und direkt

Rikarde Riedesel (r.) hieß Iunona Guruli seitens der Stadt beim Literaturpflaster in Bad Berleburg willkommen. Die georgische Autorin lebt in Deutschland und stellte im Abenteuerdorf in Wemlighausen ihre Kurzgeschichten vor. (SZ-Foto: Guido Schneider)

Wemlighausen. (schn) Das Berleburger Literaturpflaster machte am Montag zum ersten Mal im Abenteuerdorf in Wemlighausen Station. In der Atmosphäre einer Jugendherberge, die irgendwie zum Abend passte, las Iunona Guruli aus ihrem Kurzgeschichten-Buch "Wenn es nur Licht gäbe, bevor es dunkel wird". Die kurzen Texte fordern den Leser, sie sind teils derb in der Sprache und immer wieder deutlich depressiv. Welche der Texte über Selbstmordgedanken, Depression oder Abtreibung tatsächlich autobiografisch sind und welche reine Fiktion, das blieb im Dunkeln, die Autorin ließ nichts zu den Hintergründen durchblicken. Die Erzählungen über Gewalt, unsachgemäße Abtreibung und wochenlange Blutungen sind so direkt und so emotional, dass sie kaum der reinen Phantasie entspringen können.

Einen Hintergrund gab es dann doch, einen sehr politischen noch dazu. Ein Teil der Kurzgeschichten ist eine Anklage gegen die patriarchalische Gesellschaft Georgiens. Es gebe kaum eine Frau in Georgien, die keine Gewalt erlebt habe. Guruli konnte nicht genau sagen, ob sich die Gesellschaft in der postsowjetischen Zeit zurückentwickelt habe oder der eher egalitäre Kommunismus keine Spuren hinterlassen habe. Fest stehe aber, dass die orthodoxe Kirche eine unrühmliche, rückwärts gewandte Rolle spiele. Rund 90 Prozent der Bevölkerung sei streng religiös, "und die Menschen glauben das, was ihnen von den Priestern gesagt wird. Auch wenn es heißt, die Frau soll sich dem Mann unterwerfen". Für die Autorin, die in Deutschland lebt und arbeitet, ist das völlig aus der Zeit gefallen. Sie wolle mit ihren Texten ein Statement setzen, die Rolle der Frau deutlich machen und den betroffenen zeigen: "Du bist nicht allein."

Wer ihre Kurzgeschichten liest und der deutschen wie der georgischen Sprache mächtig ist, der kann unter gleichem Titel zwei Bücher lesen. Iunona Guruli hat einige Geschichten in der deutschen Übersetzung bearbeitet und erweitert. Eine Besonderheit, denn sie hat die Übersetzung selbst geschrieben. Als Übersetzerin hat sie in den vergangenen zweieinhalb Jahren gleich neun Bücher übersetzt. Das klingt ein wenig nach Workaholic, und das trifft es wohl auch. Sie habe oft bis tief in die Nacht gearbeitet und in diesem Jahr noch keinen Tag frei gemacht. Dabei lacht Iunona Guruli über sich selbst und hat einen müden Ausdruck in den Augen.

Ihre Texte leben von der hohen Dichte, der teilweise derben, ja fast obszönen Sprache und dem Holzhammer, mit dem der Leser die Thematik abbekommt. Iunona Guruli ist keine Frau einer feinen Sprache, Metaphern sind kaum vielschichtig, dafür ist die Sprache gewaltig, bildreich und direkt. Ohne verschlungene Wege bringt sie ihre Leser dazu, über das Gelesene nachzudenken. Besonders offensichtlich wird das in ihren "Kleinanzeigen". Mit beißender Satire, bitterer Ironie, ja zeitweise zynisch nimmt sie menschliche Eigenheiten und Abgründe im Telegrammstil aufs Korn. "Gefunden: stark abgenutzte Scheinheiligkeit. Ich werde einen Monat lang auf den Besitzer warten. Falls er nicht auftaucht, werde ich sie übernehmen und weiterbenutzen", heißt es da. Die Kleinanzeigen sind eine besondere Stärke von "Wenn es nur Licht gäbe …", der böse Humor weiß zu gefallen.

Ganz nebenbei kehrt Iunona Guruli zu ihrer ersten Profession zurück. Als Schauspielerin ist sie bald in der Verfilmung ihrer Kurzgeschichten zu sehen.

Von Guido Schneider


Siegener Zeitung (04.10.2018)
Internet: www.siegener-zeitung.de
Bildquelle: SZ-Foto von Guido Schneider (schn)

Siegener Zeitung

Berleburger Literaturpflaster auf Facebook
© 2007-2018 Berleburger Literaturpflaster - Literatur & Kultur aus dem Schwerpunktland der Frankfurter Buchmesse.
Impressum :: Datenschutz :: powered by jr webdesign